Hightech aus München: Dieses Startup saugt CO2 aus der Luft

Das Startup Phlair filtert mit diesem Turm per elektrochemischem Verfahren CO2 aus der Atmosphäre.
(Foto: Phlair)
CO2 aus der Luft holen - klingt nach Science-Fiction? Ist aber schon jetzt Realität. Ein Startup testet das mit einer Pilotanlage in München.
Zehn Tonnen CO2. So viel zieht ein neuer, knapp sieben Meter hoher Turm in einem Münchner Industriegebiet pro Jahr aus der Atmosphäre - das entspricht ziemlich genau dem jährlichen CO2-Fußabdruck eines durchschnittlichen Deutschen. Doch hinter diesem Pilotprojekt steckt mehr als nur eine symbolische Zahl: Phlair, ein Münchner Startup, will mit innovativer Direct-Air-Capture-Technologie den CO2-Ausstoß im großen Stil ausgleichen - und die Klimawende vorantreiben.
Was auf den ersten Blick wie Zukunftsmusik klingt, funktioniert - im Vergleich zu anderen Verfahren - erstaunlich simpel und mit möglichst geringem Energieaufwand. Phlairs Technik setzt auf ein elektrochemisches Verfahren. Das auf diesem Weg extrahierte CO2 kann anschließend dauerhaft unterirdisch gespeichert werden.
Kritiker weisen immer wieder auf den hohen Energiebedarf solcher Anlagen hin - zurecht. Denn wer CO2 in Deutschland mit Kohlestrom aus der Atmosphäre filtern würde, setzt unter dem Strich sogar mehr CO2 frei, als er herausholt. Damit das System tatsächlich klimaneutral läuft, muss Strom aus erneuerbaren Energien wie Solar- oder Windenergie zum Einsatz kommen. Genau darauf setzt Phlair: Die Anlagen lassen sich flexibel an die Verfügbarkeit von Sonnenstrom koppeln - und benötigen laut CEO Malte Feucht im Betrieb nur rund ein Drittel der Energie klassischer, auf Wärme basierender Verfahren.
Climeworks in Island: Gigant unter den CO2-FilternEin Blick nach Island zeigt, welches Potenzial die Technik auf großer Bühne hat: Dort betreibt der Marktführer Climeworks mit "Mammoth" die aktuell größte Direct-Air-Capture-Anlage der Welt. Bis zu 36.000 Tonnen CO2 pro Jahr werden hier aus der Luft gefiltert und dauerhaft im Basaltgestein gespeichert. Auch hier ist der Betrieb nur durch eine saubere Energieversorgung - Geothermie - wirklich nachhaltig. Doch der Weg von den Pilotanlagen zur Megatonnen-Skala ist lang.
Die große Frage bleibt: Werden Maschinen, die CO2 aus der Luft filtern, uns einmal von der Pflicht befreien, selbst Emissionen zu vermeiden - zum Beispiel beim Fliegen oder Autofahren? Phlair-Gründer Malte Feucht wiegelt ab: "Es ist immer einfacher zu vermeiden, als CO2 aufwendig wieder aus der Atmosphäre herauszuziehen. Rund 80 Prozent der Emissionen sollten über Reduktion erfolgen. Aber für die letzten zehn Prozent wird Direct-Air-Capture eine kritische Infrastruktur sein."
Wer bezahlt dafür?Phlairs Geschäftsmodell setzt nicht nur auf Verkäufe der Anlagen selbst, sondern auch auf den Verkauf von CO2-Entnahmezertifikaten an Unternehmen und Privatpersonen, wie etwa die Private Equity Firma Waldegg. "Wir setzen nur auf Prozesse, die wirklich wirken - und bei denen die Entnahme nachgewiesen werden kann", sagt Waldegg-Manager Fabian Kiechle.
Damit Direct-Air-Capture keine Nischentechnologie bleibt, muss skaliert werden. Phlair setzt auf eigene Produktion, will mehr Module aufstellen - und träumt davon, in den 2030er Jahren Millionen Tonnen CO2 aus der Luft zu holen. Ob das genügt, um die Rückstände unseres fossilen Zeitalters zu beseitigen? Sicher ist: Vermeidungsstrategien und neue Technologien müssen Hand in Hand gehen.
Mit Malte Feucht sprach Janna Linke. Das Gespräch wurde zur besseren Verständlichkeit gekürzt und geglättet. Vollständig können Sie es im ntv-Podcast "Startup - jetzt ganz ehrlich" anhören.
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Quelle: ntv.de
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